Bürgermeister Friedrich Bernhard Benjamin Mischlich
Friedrich Bernhard Benjamin Mischlich (* 14.11.1805, † 27.4.1888) wuchs in der Vorderstraße 25 in Nauheim auf. Er wurde Landwirt und hatte auch eine Lehre als Müller gemacht. Mit seiner ersten Ehefrau Anna Maria, geb. Sünner (1804 - 1847), war er bis zu ihrem Tode 1847 verheiratet. Seine zweite Ehe schloss er 1851 mit Elisabetha Magdalena, geb. Dammel (1826 - 1875). Beide Ehen blieben kinderlos.
F. B. B. Mischlich war das neunte Kind des Müllermeisters Johann Bernhard Mischlich (1764 – 1814) und seiner Ehefrau Margarethe Elisabethe, geb. Engroff (1770 - 1828). Der erstgeborene Sohn Johann Peter (1790 - 1866) war auch Müllermeister. Tragisch war die weitere Familienentwicklung: die erste Tochter Margaretha Elisabetha starb 1792 16 Tage nach ihrer Geburt, die zweite Tochter gleichen Namens, geboren ein Jahr später, verstarb einen guten Monat nach ihrer Geburt und der dritten Tochter wiederfuhr wiederum ein Jahr später das gleiche Schicksal. Sie überlebte knapp zwei Jahre. Die übrigen drei Geschwister wurden um die 66, 67 Jahre alt, während F.B.B. stolze 83 Jahre erreichte.
Im Alter von 32 Jahren wurde Mischlich 1837 zum Bürgermeister der Gemeinde Nauheim gewählt. Dieses Amt übte er, mit einer kurzen Unterbrechung von 1849 - 1852, bis 1888 aus.
Im Jahre 1851 erwarb er die Hofreite 31, das heutige Anwesen in der Vorderstraße 13, das er im Laufe der nächsten Jahre renovierte und erweiterte.
In seiner langen Amtszeit wurden die Straßen im Ort gepflastert und die Wege nach Trebur und Königstädten befestigt. Ein neues Schulhaus wurde gebaut - das heutige Heimatmuseum (1878) in der Schulstraße 6. Die Erweiterung des Friedhofs westlich des Jakobshügels erfolgte und eine umlaufende Mauer gebaut. Geldzahlungen lösten die Zehntabgaben ab. Waldland wandelte er durch Rodung zu Ackerland und Wiesen um. In langen und zähen Verhandlungen schaffte es die Gemeindeverwaltung, dass beim Bau der Ludwigsbahn 1857 Nauheim einen Haltepunkt bekam. Auch der Bau des Bahnhofs (1882) fiel in Mischlichs Amtszeit. Nun war es den Nauheimern möglich, in die umliegenden Fabriken in Darmstadt, Bischofsheim, Gustavsburg oder Mainz zur Arbeit zu fahren.
In den Jahren 1840 bis 1850 bewegte sich die Anzahl der Bewohner von Nauheim um 750. 1858 lebten 773 im Ort, davon waren 724 lutherisch, 11 katholisch und 38 Juden. 110 Häuser gab es.
Die Jahre 1846 und 1847 waren durch die letzte große Hungersnot der vorindustriellen Zeit geprägt: Lebensmittelknappheit, sehr kalte Sommer und Winter und somit Hungerepidemien. Witterungsbedingte „Missernten“ und die zusätzlich seit 1844 grassierende Kartoffelfäule dezimierten die Vorräte an Grundnahrungsmitteln und führten zu deren Verknappung. Die Gemeinde kaufte Brotgetreide auf, um die Hungernden zu sättigen. Es herrschte eine große Hungersnot, was dazu führte, dass viele Familien nach Amerika auswanderten.
1853 wurden etwa 20 bedürftige Familien auf Gemeindekosten nach Amerika verschifft. Es entstanden dadurch der Gemeinde, die schon in den 1840er Jahren schuldenfrei geworden war, wieder einige Schulden, welche aber in den folgenden Jahren getilgt wurden. In dieser Zeit sank die Einwohnerzahl von 836 (1854) auf 798 (1863).
Auch der bekannte Peter Bajus (1795 - 1875), Nauheimer Langlauftalent und landgräflicher Hofläufer, trat zweimal die Reise nach Übersee an, einmal im Jahre 1852, um sich durch eigenen Augenschein von den geschilderten Lebensverhältnissen zu überzeugen, und das andere Mal im Jahre 1856, um endgültig mit seiner Familie dort zu bleiben.
Bürgermeister Mischlich und seine zweite Ehefrau Elisabetha stifteten 1866 der evang. Kirche einen Altar.
War in der alten Zeit Nauheim ein reiner Bauernort, der eben nicht mehr Einwohner beherbergen und ernähren konnte, als er Land und Wald hatte. Das blieb so bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die neue Zeit jedoch war durch eine ständig zunehmende Einwohnerzahl infolge neuer Verdienst- und Ernährungsmöglichkeiten charakierisiert. Dazu kamen auch kulturelle Einrichtungen. War es früher selbstverständlich gewesen, dass man Wasser vom Brunnen holte, das Petroleumlicht brannte, so gehörte zur neueren Zeit die Wasserleitung und das elektrische Licht. Die Straßenbeleuchtung wurde 1878 in Nauheim installiert. Dazu kamen handwerkliche, genossenschaftliche, industrielle Betriebe, die den Menschen neue Verdienstmöglichkeiten eröffneten. Und nicht zu vergessen: 1858 wurde die Eisenbahnstrecke zwischen Darmstadt und Mainz eröffnet, was zu einer Konzentration im Einzugsbereich entlang dieser Einrichtung führte. Schon zehn Jahre später waren in Nauheim 877 Einwohnerinnen und Einwohner. 1876 musste sich der Bürgermeister erstmals auch als Standesbeamter betätigen, weil duch Reichsgesetz neben der kirchlichen auch die weltliche Eheschließung zu erfolgen hatte.
1886 bekam Friedrich Bernhard Benjamin Mischlich wegen 50jähriger treuer Dienstführung das silberne Kreuz des Verdienstordens Philipps des Großmütigen. Am 1. August 1886 wurde in Anwesenheit von Großherzog Friedrich Wilhelm Ludwig IV. Karl von Hessen und bei Rhein und rund 150 Personen in der Gastwirtschaft „Zum Hirsch“ sein 50jähriges Dienstjubiläum gefeiert. Mischlich starb 1888 in Nauheim mit 83 Jahren. Mit großer Mehrheit wurde sein Nachfolger Johannes Berz gewählt, der bis 1905 und dann 1908 bis 1919 im Amt war.
Quellen: Aus der Nauheimer Chronik I, Familienbuch Nauheim 1642-1914, Band 2 - Autoren: H. Hock, A. Winter (FB)