Historischer Rückblick: Der Gesangverein "Eintracht," e.V. Nauheim

Der Gesangverein "Eintracht,"' e.V. Nauheim, der älteste Verein Nauheims, 1868 gegründet, hat seine Wurzeln in der bäuerlich-bürgerlichen Einwohnerschaft von Nauheim und besteht nunmehr schon seit 150 Jahren. In der wechselvollen Geschichte der Gemeinde und ihrer Menschen spiegelt sich im Kommen und Gehen der Generationen auch die Geschichte des Männer- und Frauengesangvereins in Nauheim wider.

Vom Großherzogtum zur Demokratie der Weimarer Zeit, von der Diktatur des Führerstaates wiederum zum demokratischen Staatswesen unserer Bundesrepublik - all diese Zeiten hat der Traditionsverein und seine bodenständigen Mitglieder durch Einigkeit und Zusammenhalt erlebt und überlebt.

Von der Gründung bis 1886 führten den Verein Adam Engroff, Heinrich Jüngling, Bernhard Daum II. und Adam Dammel I. als Vorsitzende. Nach ihnen, 1886, übernahm Johannes Dammel VII. das Zepter und leitete den Verein 34 Jahre lang. Die Traditionsfahne des Vereins wurde nach 20jährigem Bestehen des Vereins, 1888 feierlich eingeweiht und 1893 das 25jährige Vereinsjubiläum festlich begangen.

Musikmeister Wilhelm Fitting aus Mainz, seit 1874 Dirigent der "Eintracht", beging 1899 das silberne Dirigentenjubiläum; im gleichen Jahr konnte auch der Rechner des Vereins, Bernhard Jüngling, das gleiche Jubiläum feiern.

1909 verlegte der Verein sein Vereinslokal in das Gasthaus "Zum Hirsch" in der Rathausstraße (heute Heinrich-Kaul-Platz). Vorher wurden die Gesangsproben in der Gastwirtschaft Trainer, Waldstraße, dann im Saal der Gastwirtschaft Karl Vogel, Rathausstraße und im Jahre 1880 in der Wirtschaft Friedrich Vogel, Vorderstraße, abgehalten.

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 wurde die Vereinstätigkeit für fünf Jahre unterbrochen; sieben Sänger mussten im Krieg ihr Leben lassen. Mit Genehmigung der französischen Ortskommandantur konnte bereits 1919 die 1. Versammlung zur Wiederbelebung des Vereins stattfinden und dann 1920 die Proben unter Leitung des Dirigenten Wiedenhaupt aufgenommen werden. Ihm folgte Ende 1920 Lehrer Merle. 1920 wechselte auch die Vereinsführung. Nach dem langjährigen Vorsitzenden, Johannes Dammel VII. wurde Heinrich Sünner Erster Vorsitzender.

Das Jahr 1926 ist insoweit für die beiden "Brudervereine" Gesangsverein "Eintracht" und die Sängervereinigung "Germania" sehr bedeutsam, als man nach entsprechenden Beschlüssen beider Vereine konkret in Verhandlung eintrat, mit dem Ziel des Zusammenschlusses zu einer Sängervereinigung.

In einer gemeinschaftlichen Vorstandssitzung am 6. 7.1926 der Vereine "Eintracht" und "Germania" im Gasthaus Waldlust bestand beiderseitige Zustimmung und Übereinkunft in Detailfragen. Bestätigung fanden die bis dahin geführten Verhandlungen in der Generalversammlung der "Sängervereinigung Nauheim" am 17.7.1926, unterzeichnet von den Vorsitzenden beider Vereine. Der Zusammenschluss war damit vollzogen.

In der Generalversammlung der "Eintracht" am 2. 2.1927 jedoch, in der mit 2/3 Mehrheit nach dem Vereinsstatut über den Zusammenschluss vereinsintern abgestimmt wurde, erreichte man diese Mehrheit, zu der 48 Stimmen erforderlich waren, nicht. Mit "ja" stimmten 32, mit "Nein" stimmten 30 Sänger bei einer Enthaltung; damit war der Zusammenschluss abgelehnt und die Eintracht blieb weiter für sich bestehen.

In der Generalversammlung der "Germania" hatten 52 von 53 anwesenden Mitgliedern mit ja" für den Zusammenschluss gestimmt. Im Protokoll der "Eintracht" zum 2.2.1927 ist festgehalten: "Der Zusammenschluß ist durch die Haltung der "Eintracht" vereitelt worden ... ...

Wohl auf Betreiben der Gegner eines Zusammenschlusses musste die Vereinsführung eine Protokollnotiz in Form einer "Richtigstellung" nachtragen:

"Der in dem Protokoll am 2. Februar 1927 stehende Satz: ,Der Zusammenschluß ist durch die Haltung der Eintracht" vereitelt worden...' entspricht nicht den Tatsachen. Durch das Abstimmungsergebnis in der "Eintracht" wurde wohl der Zusammenschluß vereitelt, ,... wir weisen es aber von uns als die Schuldigen hierfür zu gelten, denn in der Sängervereinigung wurden die Belange der "Eintracht" und ihrer Mitglieder nicht im geringsten gewahrt'".

gez. Dammel, 2. Vors.           gez. Sünner, Schriftführer

Nun, wie dem auch sei! In der Generalversammlung beider Vereine am 17. 7.1926 war man sich in allen Fragen des Zusammenschlusses einig, auch in Detailfragen. Für den Chorgesang in Nauheim zu dieser Zeit wäre es jedenfalls von großem Vorteil gewesen - und dies in jeder Hinsicht - wenn es zur "Sängervereinigung Nauheim" gekommen wäre.

1927 übernahm Herr Fritz Dammel den Vorsitz des Vereins. 1928 konnte man das 60jährige Vereinsjubiläum festlich in Verbindung mit dem Kreisliedertag des Sängerkreises Mainspitze begehen.

1933 traten von der durch Verbot und Auflösung untergegangenen Arbeiter-, Sport- und Sängervereinigung 30 Sänger der "Eintracht" bei.

1934 hat man auf Anordnung der Hitlerregierung die beiden Vereine "Eintracht" und "Germania" zwangsweise zu dem "Männergesangverein 1934" zusammengeschlossen, was wiederum - wie 1926/ 1927 - nicht funktionierte. Die Unstimmigkeiten führten zu immer größeren Differenzen, die Zahl der aktiven Sänger sank stetig. Man musste dies wohl "höheren Ortes" zur Kenntnis nehmen und machte dem Zustand ein Ende, in dem man der "Eintracht" 1936 wieder die Selbständigkeit zurückgab. Vereinsführer wurde Philipp Ackermann II.

Nachdem 1940 kriegsbedingt die Vereinstätigkeit praktisch eingestellt werden musste, fand nach Kriegsende am 19.12.1948 die Versammlung zur Wiedergründung des Vereins unter Leitung von Georg Daum, Waldstraße, statt. Zehn Sänger kehrten aus dem Krieg nicht zurück. Wie im Protokoll vom 20.1.1949 festgehalten, führte man vorher mit ehemals führenden Persönlichkeiten der "Germania" mehrere Gespräche mit dem Ziel, in Nauheim einen Gesangverein "zum Wohle aller Sangesfreunde" ins Leben zu rufen. Warum dann die zuerst befriedigenden Verhandlungen letztlich wiederum nicht zum Erfolg führten, bleibt verborgen, im Protokollbuch ist jedenfalls nichts weiterführend erläutert.

Die "Germania" ist nach dem Scheitern der Zusammenlegung 1934-1936 nicht wieder "auf die Beine gekommen" und löste sich in der Zeit nachher quasi von selbst auf.

1950 übernahm der frühere Vorsitzende Fritz Dammel wieder den Vorsitz. Obermusikmeister Georg Mischlich hielt in dieser Zeit die Übungsstunden im Saalbau Ruhland ab, musste aber infolge Überlastung die Dirigententätigkeit 1956 aufgeben, die dann von Herrn Mindnich, Astheim, weitergeführt wurde.

Den Vorsitz des Vereins übernahm 1955 Fritz Rodamer. Ihm folgte dann 1962 der langjährige Erste Vorsitzende Alwin Geyer. Im gleichen Jahr übernahm Walter Riedl aus Nauheim den Dirigentenposten, den er - sehr erfolgreich - bis 1989 inne hatte.

Das 100jährige Vereinsjubiläum wurde Mitte 1968 in großem Rahmen, mit dem Auftakt der akademischen Feier am 29.6.68 im Saalbau Ruhland, gefeiert. Mit dem großen Zapfenstreich klangen die Festlichkeiten montags aus.

Für den Verein außerordentlich bedeutsam ist die Gründung eines Frauenchores 1980 auf Initiative des Chorleiters Walter Riedl. An der Gründungsversammlung am 5.3.1980 nahmen bereits 30 Frauen teil. Für den Verein war dies eine Bereicherung, denn mit dem Frauenchor wuchsen die Vereinsaktivitäten. Am geselligen Leben des Vereins hat der aktive Frauenchor wesentlichen Anteil; sieben Frauen sind im Gesamtvorstand vertreten. Gemeinsame Konzerte und Liederabende zusammen mit dem Musikverein 1950 Nauheim bereichern das Nauheimer Kulturleben. Auch in Sachen Partnerschaft engagiert sich der Verein und gab der Jumelage mit Charvieu-Chavagneux seit 1984 neue Impulse.

Chorleiter Walter Riedl musste 1989 aus gesundheitlichen Gründen sein seit 1962 mit großem Erfolg ausgeübtes Amt niederlegen; er verstarb am 30. März 1990. Mit ihm verlor der Verein nicht nur eine große Stütze, sondern einen liebevollen Menschen und Freund.

1987 musste Marie Ruhland aus Altersgründen ihre Gaststätte in der Bahnhofstraße schließen und die 40jährige Verbundenheit des Vereins mit der Gaststätte Ruhland fand damit ihr Ende. Dies war ein schwerer Einschnitt in das Vereinsleben der "Eintracht". Zwar konnte man die Chorproben in Übereinkunft mit dem Pächter in den oberen Räumen weiterhin abhalten, doch nach mehrmaligem Pächterwechsel und den damit verbundenen Unwägbarkeiten wuchs die Unzufriedenheit unter den Mitgliedern.

1988 strebte man eine dauerhafte Lösung des Raumproblems an. Schließlich nahm man das Angebot der SKV an, in Zukunft die Chorproben im kleinen Saal neben der Gaststätte abzuhalten.

Der Frauenchor hatte sich in den zehn Jahren seit seiner Gründung hervorragend entwickelt und konnte dies im März 1990, anlässlich seines 10jährigen Bestehens im Rahmen eines Konzertes, begleitet vom Männerchor und dem Musikverein 1950, unter Beweis stellen.

Ernst Müller aus Nauheim, aktives Mitglied des Vereins seit 1963, wird nach Alwin Geyer 1996 zum Ersten Vorsitzenden der "Eintracht" gewählt und bekleidete dieses Amt bis Januar 1999. Von 1976 bis 1985 war er Schriftführer und von 1985 bis 1996 bereits 2. Vorsitzender.

Marianne Schnittler aus Nauheim übernahm den 1. Vorsitz des Vereins nach Ernst Müller im Januar 1999. Sie ist seit 1990 aktives Mitglied und schon ab Februar 1992 mit der Vorstandsarbeit betraut, u. a. als 1. und 2. Schriftführerin; neben dem Vereinsvorsitz nimmt sie noch die Tätigkeit der Pressewartin wahr.

Nach Walter Riedl lag die musikalische Leitung von 1989 bis 1993 bei Karl-Heinz Ziegler aus Hochheim; von ihm übernahm ab 1994 den Dirigentenstab Ulrich Rompel aus Hofheim/Ts. Er war Chorleiter für beide Chöre bis 2005.

Die sehr temperamentvolle Silvia Tollkien war Chorleiterin bis 24. Juni 2008 und wurde dann von Alexander Grün abgelöst. Die Leitung des Popchores Hörsturz hat Mona Dornbusch inne.

Inzwischen wurde der Frauenchor "Mittendrin" ins Leben gerufen und konnte erfolgreiche Auftritte verzeichnen. Der Jugendchor  "Hörsturz" verschrieb sich hauptsächlich dem englischsprachigen Liedgut. Nach Marianne Schnittler war Rüdiger Karn Vorsitzender bis zum Jubiläumsjahr 2018, wo neue Vorsitzende Petra Hübner wurde. Der Höhepunkt im Jubiläumsjahr ist der gemeinsame Auftritt aller Chöre in der St. Jakobus-Kirche in Nauheim am 27. Oktober 2018 unter dem Titel "Freiheit".


Quelle: Nauheimer Chronik, Band II. - Autor: Ernst Griebel
Aktualisierung: Hans Joachim Brugger


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